Deppen gibt es überall - Mein Geiselnehmer ist ein Vollidiot

Leseprobe:

 

Eigentlich war der Morgen, an dem ich einen der größten Vollidioten unserer Erde kennenlernen musste, ein recht schöner Morgen. Wäre es bei einem flüchtigen Kennenlernen geblieben, hätte das diesem Tag auch mit Sicherheit keinen Abbruch getan. Doch am Ende hatte mir dieser Trottel meinen kompletten freien Tag versaut. Zumindest sah es lange Zeit danach aus. Der Plan war eigentlich, mich mit ein paar Freunden am See zu treffen und dort einen relaxten Tag unter einem schönen großen Baum zu verbringen. Dabei ein paar Bierchen aus der Monsterkühltasche von Sven trinken, ab und zu den Bikinischönheiten hinterher schauen und ansonsten einfach mal nichts tun. Die Woche war eh schon stressig genug gewesen. Im Büro ging alles drunter und drüber. Es war ein richtiger Kampf, bis ich letzten Endes diesen einen Tag frei bekommen hatte. Aber eigentlich war immer ziemlich viel los. Wenn es danach gehen würde, hätte ich meinen nächsten Tag am See unter der Woche wohl erst mit dem Eintritt in die Rente erlebt. Und wann das der Fall sein würde, konnte man ja bei den unglaublich kreativen Köpfen unserer Regierung ebenfalls nicht absehen. Daher dachte ich mir, es würde sich lohnen, den Kampf mit meinem Chef einzugehen, die subtile Andeutung mangelnder Leistungsbereitschaft seinerseits zu ertragen und den Groll der Kollegen, die an diesem herrlich heißen Sommertag meine Arbeit auch noch erledigen mussten, auf mich zu nehmen. Doch das war leider für den Arsch gewesen. Der einzige Bonus, den ich am Montag nach meinem verlängerten Wochenende verbuchen konnte, waren die zufriedenen Gesichter der Kollegen, weil sie natürlich schon alle erfahren hatten, dass mein Freitag am Ende noch deutlich beschissener ausgefallen war, als ihrer. Zumindest wussten sie das, was aus der Presse zu entnehmen war. Aber bis ich in den Genuss des Spottes meiner Kollegen kommen sollte, musste ich erst einmal den Freitag überleben. Und der hatte es in sich.

 

Beim Blick in den Geldbeutel musste ich feststellen, dass dessen Inhalt wohl nicht für einen ausschweifenden Tag am Baggersee ausreichen würde. Und weil ich meine Freunde im Bedarfsfall nicht anpumpen wollte, lief mir am frühen Morgen der vorhin erwähnte Vollpfosten in meiner Sparkasse über den Weg. Er wollte ebenfalls Geld holen, hatte aber anstelle einer EC-Karte eine Pistole dabei und eine Strumpfhose über dem Kopf. Karneval war gerade nicht und so war seine Begrüßungsfloskel fast schon zu erwarten. Vielleicht hatte er zu viele schlechte Filme gesehen, denn er kam in die kleine Dorfgeschäftsstelle gestürmt und schrie wie ein Verrückter durch die Gegend. Was eigentlich unnötig war, denn außer mir war nur noch die Dame hinter dem Schalter im Gebäude und der Geschäftsstellenleiter in seinem Büro, den der Bankräuber natürlich nicht sehen konnte.

»Hände hoch, das ist ein Überfall. Alle auf den Boden legen!«, war die lautstarke Überfallseröffnung. Ich konnte mich der Frage nicht erwehren, warum knallharte Bankräuber Damenstrumpfhosen anstelle von Sturmhauben oder ähnlich männlichen Verhüllungsgegenständen zur Vermummung wählten. Das sah schon irgendwie schwul aus.

Durch das Gebrüll wusste der Geschäftsstellenleiter sofort was los war und drückte hinter der verschlossenen Bürotür den Alarmknopf. Ich gehe mal davon aus, dass er sich sofort nach seiner heldenhaften Tat im Schrank eingeschlossen hatte, oder aus dem Fenster geflüchtet war. Zumindest habe ich ihn während der restlichen Zeit in der Bank nicht mehr gesehen. Sein Bild hatte ich irgendwie im Hinterkopf, weil ich vor einiger Zeit ein Beratungsgespräch bei ihm hatte. Wie ein Held hatte er auch nicht ausgesehen. Irgendwann später wurde die Bankangestellte aufgefordert die Bürotür zu öffnen, aber da war eben keiner mehr. Keine Spur vom heroischen Chef, der sein Leben für die Mitarbeiter opfern würde. Aber wie gesagt, rein optisch hatte ich auch nichts anderes erwartet.

Ich legte mich auf den Boden und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Das war zwar ziemlich unbequem, aber zu diesem Zeitpunkt hoffte ich noch, der Überfall würde reibungslos über die Bühne gehen, die wohl nicht zu vermeidende Aussage bei der Polizei würde schnell gemacht sein und ich könnte mit etwas Verspätung meinen freien Tag wie geplant noch genießen. Gut, das Geld hätte ich dann eben an einem Geldautomaten und nicht bei der netten Dame am Schalter holen müssen, aber das hätte man ja noch verkraften können. Die Bankangestellte war auch der einzige Grund, warum ich an den Schalter und nicht an den Geldautomaten ging. Sie war eine richtige Schönheit und niemand konnte das Geld so schön vorzählen wie sie. Doch in diesem Moment lag sie auf der anderen Seite des Schalters und ich war noch nicht einmal in den Genuss eines flüchtigen Blickes in ihr Dekollete gekommen. Bei näherer Betrachtung der Situation kam mir beiläufig der Gedanke, dass eine dicke hässliche Angestellte meiner Lieblingssparkasse mir wohl unfreiwillig den Tag gerettet hätte. Na ja, wie auch immer. Jetzt lag ich eben da, mit dem Gesicht auf dem Boden, nur weil ich heute Morgen bei den zu erwartenden Temperaturen mit einer freizügigen Bekleidung von Frau Nadler gerechnet hatte. Ich wurde auch nicht enttäuscht. Zumindest war sie so freizügig gekleidet, wie es in einer Sparkasse möglich war.

Obwohl der Bankräuber ein eindeutiges Kommando gegeben hatte, verwirrte ihn jetzt gerade das Ergebnis seiner Anweisung. Ich weiß ja nicht genau, was in seinem Kopf vor sich ging, aber er schien ernsthaft darüber nachzudenken, warum er plötzlich hinter dem Schalter niemanden mehr sah, der ihm die Beute reichen konnte. Er stürmte nach vorne, sah auf den Boden und schrie die nette Bankangestellte lauthals, und für meinen Geschmack viel zu unfreundlich, an.

»Los aufstehen!«, brüllte der Mann mit der Damenstrumpfhose über dem Kopf. »Pack das ganze Geld in die Tüte.«

Mir lag ja eigentlich schon der passende Spruch auf den Lippen, um dem Idioten zu sagen, dass das Hinlegen jetzt doch eigentlich völlig für die Katz gewesen war. Aber im Moment war mir wie gesagt noch ein schneller Ablauf lieber, als eine Diskussion über einen effektiven Bankraub mit einem ganz offensichtlich debilen Hobbyverbrecher. Dann ist ihm endlich aufgefallen, dass es ja noch das Büro des Geschäftstellenleiters gab.

»Mach mal Tür da hinten auf«, rief er zwar ohne ausländischen Akzent, aber trotzdem in einem stark verbesserungsfähigen Deutsch. Das mit dem Chef im Schrank hatten wir ja schon. Daher die Kurzversion. Tür auf, Tür zu, niemand drin und der Idiot vor mir war für den ersten Moment wieder beruhigt. Wie doof kann man eigentlich sein, dachte ich mir. Frau Nadler war übrigens immer noch damit beschäftigt, das Geld in die Tüte des Bankräubers zu packen. Der wiederum wurde langsam immer hektischer, weil ihm das alles viel zu lange dauerte. Ich gönnte mir aus meiner unbequemen Lage gelegentlich einen Blick nach oben und beobachtete das Geschehen so gut es ging.

»Jetzt mach schon!«, brüllte der Bankräuber schon wieder meine Lieblingsangestellte unnötigerweise an. Sie konnte ja wohl am allerwenigsten dazu, dass dieser Vollidiot ganz offensichtlich keiner geregelten Arbeit nachging und alternative Geldbeschaffungsmethoden ausprobieren wollte. Viel mehr als ein Ausprobieren konnte das aber auch nicht gewesen sein, denn professionell war anders